18.03.2021 - Pressemitteilung - LEE RLP/SL
Positionspapier:
Fakten – Positionen – Forderungen
ZIEL
Eine der größten aktuellen Herausforderungen für unsere Gesellschaft ist die Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen durch den vom Menschen verursachten Klimawandel. Die Erneuerbaren Energien leisten zusammen mit Effizienzsteigerungen und Einsparungen den entscheiden-den Beitrag im Transformationsprozess hin zur Dekarbonisierung der Energieversorgung über alle Verbrauchsektoren. Ziel des Landesverbandes Erneuerbare Energie Rheinland-Pfalz/Saarland (LEE RLP/SL) ist die erfolgreiche Umsetzung dieses Prozesses möglichst bis 2030, spätestens jedoch bis 2040, wobei der gesamte Energiebedarf zu 100 % mit Erneuerbaren vorrangig aus regionalen Quellen zu decken ist.
Wir sind davon überzeugt, dass mit den vorhanden EE-Potenzialen über alle Erzeugungsarten sowie intelligenten Energiemanagement- und Speichersystemen dieses Ziel auf Landes- und Bundesebene erreicht werden kann. Für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien ist auch weiterhin eine hohe Akteursvielfalt auf der Basis vielfältiger Finanzierungselemente notwendig, um sowohl eine hohe Akzeptanz als auch eine möglichst breite, sozial gerechte Beteiligung zu ermöglichen. Dabei sind möglichst alle vorhandenen Flächenpotenziale zu nutzen.
Zur Zielerreichung erhebt der LEE RLP/SL die Kernpositionen und Forderungen über alle Bereiche der Erneuerbaren Energien und der Energieverwendung.
1. Windenergie
Windenergie nimmt im Bereich der erneuerbaren Stromerzeugung bilanziell wie wirtschaftlich die bedeutendste Funktion ein. In Rheinland-Pfalz beträgt der Anteil erneuerbarer Energien 35 % des Bruttostromverbrauchs, im Saarland 20 %. Die Windenergie in Rheinland-Pfalz trägt mit 60 % und im Saarland mit 48 % dazu bei. Sie muss auch mit Blick auf die Kopplung zu den Sektoren „Wärme“, „Verkehr“ und „Industrie“ deutlich ausgebaut werden.
Unsere Kernforderungen sind:
- Flächenkulisse für Windenergieanlagen erweitern (BImSchG, Abstandsregeln, etc.).
- Klimaschutz, Natur- und Artenschutz zusammenbringen.
- Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren durch ausreichend personelle Ressourcen, Qualifizierung und Wissenstransfer.
- Repowering muss priorisiert, schnell und unbürokratisch ermöglicht und raumplanerisch begünstigt werden. Die Vorbelastung der Standorte durch den Anlagenbestand ist im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen.
- Windenergie in Wirtschaftsforsten nachhaltig über einen „Wind-Wald-Pakt“ den Weg ebnen.
- Partizipation der Standortkommunen an der Wertschöpfung durch Windkraft vor Ort.
- Keine EEG-Umlage auf Eigen- bzw. Direktversorgung.
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Zur mehr denn je gebotenen Beschleunigung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren
sind neben der Stärkung personeller Kompetenzen in quantitativer wie auch qualitativer Hinsicht insbesondere klarstellende und verbindliche Handlungsvorgaben, vor allem über eine Fortschreibung des LEP IV, erforderlich. Der oftmals geforderte genehmigungsrechtliche Abwägungsprozess kann auf diese Weise fach- und sachgerecht sowie zielorientiert begleitet und beschleunigt werden.
Zur Sicherung des Artenschutzes werden an den konkreten Windenergiestandorten umfangreiche
Maßnahmen durchgeführt, die zur Sicherung und bestenfalls Verbesserung des Lebensraums
führen. In der Kompensationsverordnung fordert Rheinland-Pfalz über die Artenschutzmaßnahmen
hinaus pro Windenergieanlage (WEA) 100.000 Euro an Ausgleichzahlung für das Landschaftsbild.
Dieses Geld wird von der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz für Maßnahmen
eingesetzt, die dem Natur- und Artenschutz dienen. Statt einer reinen Standortbegutachtung und
lokaler Maßnahmenumsetzung scheint es jedoch vernünftiger zu sein, Schwerpunkträume für
bestimmte Arten festzulegen. Diese müssen dann durch Artenhilfsprogramme eine dauerhafte
Aufwertung und Sicherung von Lebensräumen erfahren.
Deshalb sollte der Bau von WEA in ausgewiesenen Flächen sichergestellt und gleichzeitig an anderer
Stelle über Artenhilfsprogramme die Sicherung, Erhaltung und Aufwertung von Lebensräumen
für Tierarten gefördert werden. Unter diesen Voraussetzungen können dann auch Ausnahmen
nach Bundesnaturschutzgesetz auf ausgewiesenen Windvorrangflächen möglich sein.
Vermeidungs-, Verminderungs- und Kompensationsmaßnahmen sollten eine größere Bedeutung
bei der Beurteilung von Vorhaben erhalten, denn nach deren Umsetzung wird die Erhöhung des
signifikanten Tötungsrisikos für einzelne Arten nur in Ausnahmefällen erreicht. Abschaltungen
von Windenergieanlagen sollten auf das absolut notwendige Maß reduziert werden, um die optimale
Standortnutzung zu gewährleisten. Die Erhebung verlässlicher und aktuelle Bestandsdaten
– v.a. zur Populationsentwicklung – unterstützt eine rechtssichere Planung. Der Naturschutzfachliche
Rahmen ist entsprechend anzupassen und der standortbezogene Untersuchungsaufwand
zu reduzieren.
Die dem Repowering innewohnende Hebelwirkung durch die Vervielfachung der Stromerzeugung
bei reduzierter Anlagenzahl muss erkannt und gewürdigt werden. Hierbei spielen insbesondere
die Vorbelastungen und Akzeptanz der Standorte eine Rolle. Statt starrer Abstandsvorgaben
muss den Kommunen planungsrechtlich die Möglichkeit zu flexiblen standortbezogenen und privilegierten
Lösungen eröffnet werden. Im Genehmigungsverfahren ist der Alt-Anlagenbestand
als Ausgangspunkt der Beurteilung anzusehen, woraus sich die Regelvermutung begründet, dass es durch Repowering zu einer Verbesserung hinsichtlich Artenschutz Immissionsschutz und Land-schaftsbild kommt.
Den durch die Niederschlagsarmut der letzten Jahre - einhergehend mit der Borkenkäferkalami-tät - in weiten Teilen des Landes erheblich geschädigten Wäldern muss bei entsprechender Wind-höffigkeit noch mehr Beachtung geschenkt werden. Das Potenzial für Windenergie im Wald muss unter diesem Gesichtspunkt neu bewertet und zusätzliche Standorte im Wald müssen zugelassen werden Generell tragen forstwirtschaftlich und ökologisch wertvolle Ersatzmaßnahmen im Rah-men von Windenergieprojekten im Wald dazu bei, dass mindestens eine vollständige Kompen-sation etwaiger Eingriffe stattfindet.
Die über viele Jahre durch die plötzlich fehlenden Einnahmen aus dem Forst in Mitleidenschaft gezogenen kommunalen Haushalte der waldbesitzenden Gemeinden könnten durch Pachtzah-lungen oder aber auch durch Beteiligungserträge in der Bau- und/oder Betriebsphase von Wind-energieprojekten an der Energiewende vor der eigenen Tür partizipieren und auf diese Weise sowohl ergänzend eine Wiederaufforstung unterstützen als auch eine akzeptanzsteigernde regi-onale Wertschöpfung entfalten.
In vielen Gemeinden machten die Einnahmen aus der Forstwirtschaft wichtige Posten in den Haushalten aus. Diese sind durch die dramatischen Kalamitäten (Stürme und Borkenkäfer) der letzten Jahre massiv eingebrochen. Durch Pachtzahlungen oder Beteiligungen an EE-Projekten partizipieren die Gemeinden an der Energiewende vor der eigenen Haustür, erwirtschaften Mit-tel, die ihnen z.B. für die Wiederaufforstung kahler Waldflächen zur Verfügung stehen, steigern die regionale Wertschöpfung und schaffen damit Akzeptanz für EE.
Letztlich können auch die über das novellierte EEG geschaffenen kommunalen Beteiligungsmöglichkeiten, die solidarische Umverteilung etwaiger Umsätze im Kreis der benachbarten kommunalen Gebietskörperschaften sowie auch der aktiven Einbindung vorhandener Stadt- und Gemeindewerke im Sinne der Sektorenkopplung aus Strom und Wärme in allen Bereichen als wichtige Eckpfeiler der Daseinsvorsorge dazu beitragen, dass die Windenergie an Land den breiten Zuspruch erfährt, der ihrer Bedeutung zur Erreichung der Klimaschutzziele gerecht wird. So kann sie ihren Beitrag als günstigste verfügbare Energiequelle der Erneuerbaren Energien mit Stromgestehungskosten im einstelligen Cent-Bereich möglichst flächendeckend leisten. Hierzu gehört wo immer möglich auch eine von Umlagen befreite Eigenversorgung oder Direktstrombelieferung im räumlichen Zusammenhang.
2. Solarenergie
Die Nutzung der Sonneneinstrahlung sowohl zur Strom- als auch zur Wärmeversorgung ist de-zentral. Dezentrale Erzeugung und Verbrauch entlasten die Netze und reduzieren ihren Ausbau-bedarf. Als Bürgerenergie ermöglicht sie die direkte Teilhabe der Menschen an der Gestaltung der Energiewende für Klimaschutz und sozialverträgliche Preise. PV-Ausbau auf dem eigenen Dach, sowie Contracting und Mieterstrommodelle leisten einen erheblichen Beitrag zur Kosteneffizienz und Akzeptanz der Verbraucher*innen auf dem Weg zur Klimaneutralität.
Unsere Kernforderungen sind:
- Gesetzlich geregelte Verpflichtungen zur Errichtung von Photovoltaikanlagen bei Um- und Anbauten von Bestandsgebäuden, Dachsanierungen und bei allen Neubauten, sofern es wirt-schaftlich vertretbar ist.
- Schaffung besserer Rahmenbedingungen für Dachflächen-PV im Gebäudebestand, auch für Volleinspeiseanlagen.
- Gleichstellung von Energiedienstleistung und Eigenversorgung, Aufhebung der Personeniden-tität.
- Keine EEG-Umlage auf Eigen- bzw. Direktversorgung.
- Erweiterung der Flächenkulisse für Freiflächen PV: Nutzbarmachung von landwirtschaftlichen Vorrangflächen bis zu einer Flächengröße von 5 ha ohne Zielabweichungsverfahren.
- Fortschreibung der Freiflächenverordnung (diese läuft zum 31.12.2021 aus) und Erhöhung des Ausschreibungskontingentes auf 100 MW (statt bisher 50 MW. (Die 50 MW fußen auf der Annahme, dass für 1 MW je 2 ha Fläche erforderlich sind. Durch die Entwicklung der Module und die Erhöhung der Nennleistung ist für ein MW jedoch nur 1 ha erforderlich. Folgerichtig muss das Ausschreibungskontingent auf 100 MW angehoben werden.) Einbezug von intensiv genutzten Ackerflächen in die Freiflächenverordnung (bisher nur Grünland).
- Nutzung möglichst aller vorhandenen Flächenpotenziale.
- Partizipation der Standortkommunen, Bürger*innen und Gewerbetreibenden an der Wert-schöpfung durch Freiflächen-PV vor Ort.
- Aufhebung der 2 MW-Grenze im Ausschreibungssegmentes für Agri-PV und Aufhebung des Erfordernisses der Anlagenkombination.
- Keine Ausschreibungen für Dachanlagen und kleine Freiflächenanlagen bis 1 MW. Möglich-keiten der EU-Freistellung (De-minimis-Regelung) nutzen.
- Agri-PV-Anlagen mit der Landwirtschaft über einen „Sonne-Feld-Pakt“ ermöglichen.
- Stromeigenversorgung mit Batteriespeichern stärker fördern und Power-to-Heat einbinden.
- Recht auf gemeinschaftliche Versorgung gemäß EU-Richtlinien (RED II) umsetzen.
- Abbau von Bürokratie und Hemmnissen bei Netzbetreibern, die der Errichtung von PV-Anla-gen entgegenstehen.
- Erleichterung der Anmeldung von Steckersolargeräten (Steckdosenmodulen) bei Netzbetrei-bern und Erhöhung der Akzeptanz solcher steckerfertigen Solarmodule.
- Innovationswettbewerbe auflegen und Modellvorhaben entwickeln.
- Finanzierungsmodelle ausbauen.
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Die ausgeprägt dezentrale und in der Regel kleingliedrige Struktur der PV-Anlagen, die gleichwohl einen signifikanten Beitrag zum Gelingen einer bezahlbaren Energiewende leisten kann, gilt es zunächst von einem oftmals unverhältnismäßigen Bürokratieaufwand auf Seiten der Verteilnetzbetreiber im Bereich der Photovoltaik zu befreien. Kosten für Netzverträglichkeitsprüfungen, uneinheitliche Formalismen und Messkonzepte oder auch Abrechnungsmodalitäten für Mieterstromprojekte sind Beispiele, die es zu vereinfachen und nach Möglichkeit auch zu standardisieren gilt. Auf diese Weise lassen sich bereits wesentliche Vorbehalte gegen den Strom vom eigenen Dach entkräften. Es muss gelingen, die Einfachheit der technischen Einbindung und Anwendung der Solarstromerzeugung als Selbstverständlichkeit in die Gebäudeinfrastruktur zu integrieren Dazu gehören neben der gesetzlich geregelten Verpflichtung zur Errichtung von PV-Anlagen bei allen kommunalen, privaten und gewerblichen Neubauten vor allem auch PV Montagevorschriften für den Gebäudebestand, da dort die größten Potenziale liegen und genutzt werden müssen.
Etwaigen finanziellen Restriktionen, vor allem bei größeren Dach- oder Freiflächenanlagen, ließe sich bei Anwendung intelligenter Finanzierungsmodelle (beispielsweise Crowdfunding, Klimafonds, Contracting oder sogenannten BuyNow-PayLater-Modellen) mit den Gebäude- und Flächeneigentümer*innen sowie mit Bürgerbeteiligung vergleichsweise einfach begegnen. Sie wir-ken obendrein akzeptanzsteigernd, ermöglichen Neutralität und Teilhabe, die sich insbesondere auch mit dem bei Energiegenossenschaften ausgeprägten gemeinsamen wirtschaftlichen und ökologisch ausgerichteten Geschäftsbetrieb verbinden lassen. Auch zeitliche Vorteile, die gerade bei Projekten dieser Art aufgrund der degressiv ausgestalteten Förderkulisse eine Rolle spielen, ließen sich auf diese Weise generieren. Gleichzeitig kann der Ausbau der Erneuerbaren nicht zu-letzt unter Beteiligung von Investitionen aller Akteur*innen als Konjunkturpaket wirken.
Die Einrichtung eines Flächenkatasters mit potenziellen Pachtflächen sollte zügig entwickelt und umgesetzt werden, damit auch Dach- und Freiflächen für die Photovoltaik unabhängig vom Ei-gentümer nutzbar gemacht werden können. Nutzungskonzepte für vorhandene Flächen im Park-raum, Integration von PV-Anlagen in Verkehrsflächen, Überbauungen von Straßen und Bahnflächen sollen aufgestellt und soweit erforderlich in Modellvorhaben vom Land gefördert werden
Eine wünschenswerte Vorbildfunktion kann die öffentliche Hand wie auch viele lokal verankerte Unternehmen einnehmen, wenn sie sich verpflichten, im Zuge des eigenen Flächenmanagements alle öffentlichen und gewerblichen Gebäude mit PV-Anlagen auszustatten. Des Weiteren können im Rahmen eines Kleinflächenmanagements beispielsweise an Regenrückhaltebecken, Kläranla-gen oder Wasserhochbehältern oder anderen geeigneten Eh-Da-Flächen bei Kommunen und Un-ternehmen Vorzeigeobjekte realisiert werden. Die „PV-Anlage zum Anfassen“, ergänzt durch In-novationswettbewerbe im Wege des Klimaschutzmanagements, wirkt Vorbehalten entgegen, entfaltet Vorreiterfunktion und trägt zur Aufklärung bei.
Die größtmögliche Freiheit bei der Entscheidung über Art, Umfang, Finanzierung und Betrieb von Projekten trägt dazu bei, diese dauerhaft und mit breiter gesellschaftlicher Zustimmung versehen zu integrieren. Hierunter fällt auch die Gleichstellung von Energiedienstleistung und Eigenversor-gung. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, diese wettbewerbsverzerrenden und die Energie-wende behindernden Regelungen abzuschaffen, denn eine personenidentisch erzeugte Kilowatt-stunde Strom ist nicht klimaneutraler als eine von einem Dritten gelieferte. Dies ist auch aus-drücklich in der bis 30.06.2021 in nationales Recht zu überführenden Erneuerbare Energien Richt-linie II (RED II, 2018/2001, Art. 21 und 22) der EU gefordert, die u.a. jeder/m Europäer*in das Recht einräumt, Erneuerbare Energie selbst und in Gemeinschaft zu erzeugen, zu speichern, zu verbrauchen und zu verkaufen, ohne mit unverhältnismäßig hohen Lasten und Kosten belegt zu werden oder diskriminierenden Verfahren unterworfen zu werden. In diesem Zusammenhang plädieren wir auch dafür, dass jede Ortsgemeinde eine PV-Freifläche auf Gemeindegebiet aus-weist, deren Stromerzeugung im räumlichen Zusammenhang durch Direktbelieferungsmodelle ermöglicht wird, womit eine umfängliche Teilhabe aller Bürger*innen und Gewerbetreibenden geschaffen wird. PV-Freiflächen können darüber hinaus bei entsprechender Planung und Umset-zung zusätzlich einen wesentlichen Beitrag zu Natur- und Artenschutz leisten.
Große Teile von Rheinland-Pfalz tragen die regionalplanerische Festlegung „landwirtschaftliche Vorrangfläche“. Um den Ausbau der Freiflächen-PV angemessen voranzutreiben sind Abweichungen von diesem Ziel bis zu 5 ha ohne Zielabweichungsverfahren zu erlauben.
Bei der Agri-PV, die vor allem im ländlichen Bereich durch das Nebeneinander von landwirtschaft-licher und energetischer Nutzung eine Erhöhung der Flächeneffizienz mit sich bringt, ist auf eine Konformität mit den EU-Agrarsubventionen sowie eine tragfähige EEG-Förderung zu achten. Das Fraunhofer ISE schlägt in einem Leitfaden der Bundesregierung vor, die Einstufung der Agri-PV als privilegiertes Vorhaben zu prüfen, eine Flächennutzung den Regeln der guten landwirtschaft-lichen Praxis zuzuordnen und keinen Eingriff im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) zu formulieren. Agri-PV-Anlage sollten Ökopunkte nach der ÖKVO generieren kön-nen. Ein mögliches Förderszenario ist in der ersten Stufe in ein 100-Äcker-Programm (entsprechend dem früheren 1000-Dächer-Programm für PV-Anlagen) zu erarbeiten.
Gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Temperaturentwicklung können sich Agri-PV und Landwirtschaft hervorragend ergänzen, denn die PV-Flächen spenden Schatten und schaffen somit das Vermögen, den Wasserhaushalt für die darunter wachsenden Nutzpflanzen besser zur regulieren. Das bundesweit vorhandene Potenzial für Agri-PV ist sehr hoch. Eine Nut-zung von gerade einmal 4 % der deutschen Ackerflächen würde ausreichen, um bilanziell den deutschen Strombedarf zu decken.
3. Biomasse
Die Biomassenutzung hat in der Anwendung Erneuerbarer Energien besondere Bedeutung, ins-besondere für die Gasgewinnung aus Reststoffen und Abfällen. Biomasse ist speicherbar und kann flexibel zur Stromversorgung eingesetzt werden, wenn volatile Windkraft und Solarenergie nur bedingt zur Verfügung stehen. Darüber hinaus erzeugt sie gleichzeitig Wärme, wenn sie in Kraft-Wärme-Kopplung dezentral zum Einsatz kommt. Das gilt sowohl für Holz als auch für Biogas aus nachwachsenden Rohstoffen oder Gülle aus der Landwirtschaft. Sie bahnt der regionalen Wertschöpfung den Weg und ermöglicht die Energie- und Wärmewende im ländlichen Raum.
Unsere Kernforderungen sind:
- EEG-Anpassung zur weiteren Kombination von Flexprämie und Flexzuschlag.
- Abschaffung der „endogenen Mengensteuerung“ und der Südquote im EEG 2021.
- Ausweitung der Landesförderung zur Güllelagerung auf Anlagen der Sondervergütungsklasse.
- Verbesserung neuer Genehmigungsverfahren für Bestandsanlagen (z.B. Rechtsabgleich).
- Möglichst vollständige Nutzung der organischen Reststoffe für energetisch-stoffliche Verwertung (Stromerzeugung, Wärmenutzung, Nach-Kompostierung, Kraftstoffproduktion).
- Keine EEG-Umlage auf Eigen- bzw. Direktversorgung.
- Verbesserung der Rahmenbedingungen für biomassegefeuerte Wärmenetze.
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In den kommenden Jahren müssen die bestehenden Biogasanlagen in Rheinland-Pfalz entsprechend der Aufgabenstellung eines zukünftigen Energiesystems umgerüstet werden. Hierzu ist ein Ausbau der technischen Möglichkeiten hin zu mehr Flexibilität in der Stromerzeugung oder die Verknüpfung mehrerer Anlagen zur Biomethanaufbereitung und Einspeisung ins Erdgasnetz Bei-spiel Biogasverbundnetz Eifel anzustreben. Hiermit könnte ein wesentlicher Beitrag zur Netzsta-bilität und der Sektorenkopplung gewährleistet werden. Für die weit überwiegend in den nächs-ten zehn Jahren aus der EEG-Förderung fallenden Bestandsanlagen gilt es wirtschaftliche Rah-menbedingungen zu definieren, die einen Weiterbetrieb sichern. Es muss vermieden werden, dass wichtige Wärmelieferanten für Bioenergiedörfer oder Vollversorger für landwirtschaftliche Betriebe wegfallen. Die Investitionen zum gezielten Umbau der Anlagen mit größeren Gasspei-chern und zusätzlicher installierter BHKW Leistung mit dem Ziel, ein hohes flexibles Einspeisema-nagement zu ermöglichen, müssen über die Kombination Flexprämie während des EEG-Zeit-raums und des Flexzuschlags während des Ausschreibungszeitraumes sichergestellt werden. Die Erträge aus dem Markt werden benötigt, um die höheren Betriebskosten zu decken.
Auch der Kraftstoffsektor kann über Biogas erschlossen werden. Mit der Aufbereitung von Biogas zu CNG-Kraftstoff könnten Hoftankstellen nicht nur den Bedarf der Agrarmaschinen, sondern auch denjenigen von LKW im Werkverkehr oder Sonderfahrzeugen decken. Sie würden hiermit auch zur Verkehrswende beitragen. Die Biomasse ist in ihrer regionalen Produktion sowohl im Forst als auch im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe für Biogas eine wichtige Säule der regi-onalen Wertschöpfung.
Durch die gezielte Verwendung der zur Energiegewinnung angebauten Rohstoffe werden Stoff-kreisläufe geschlossen, da das entstehende Gärprodukt als hochwertiger Dünger wiederum zur Stärkung der Biomasseproduktion zum Einsatz kommt und mineralischen Dünger ersetzt.
Ein gezieltes Förderprogramm soll auf die möglichst flächendeckende Güllenutzung in der Landwirtschaft in Güllekleinanlagen oder Gemeinschaftsanlagen abzielen, da nur etwa ein Drittel der Betriebe in RLP bisher ihr Potenzial nutzt. Die positiven Wirkungen entfalten sich nicht nur bei Energiewende und Klimaschutz durch die damit verbundene Strom- und Wärmeerzeugung, son-dern dies ist auch aktiver Gewässer- und Emissionsschutz.
Ein weiteres Beispiel ist die Energieerzeugung aus Wildpflanzenmischungen und blühende Ener-giepflanzen sind ein Thema, dass die Ziele des Artenschutzes und des Umweltschutzes ideal mit-einander verknüpft. Mit einer Biogasanlage kann beides zusammen realisiert werden. Denn Bio-gasanlagen haben den Vorteil, dass bestimmte Pflanzenbestände energetisch genutzt werden können, die in der Nahrungs- und Futtermittelproduktion sonst nicht verwertet werden. Außerdem benötigt die Biogas-Technik keine Reinkulturen, sodass auch Mischkulturen eingesetzt werden können.
Hier gilt es neue Wege zu gehen: Zahlungen für Ausgleichsmaßnahmen (z.B. aus der Windenergie) können für das Anlegen von Blühwiesen verwendet werden. Ihr Aufwuchs wird in Biogasan-lagen als ökologisch wertvolles Substrat eingesetzt und zu Strom, Wärme und Kraftstoff umge-wandelt. So wird der Eingriff in die Natur vor Ort kompensiert und gleichzeitig fördern sich die Erneuerbaren Energien gegenseitig.
Es zeigt sich das Bioenergie mehr ist, als nur Stromerzeugung. Insbesondere Biogas ist ein Multitalent das EE-Erzeugungslücken schließen kann, regenerative Wärme liefert und als Kraftstoffproduzent die Sektorenkopplung schon heute mit preiswertesten Technologien darstellt.
4. Wärme
Die Energiewende ist deutlich mehr als Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien. Dem Wär-memarkt muss bezüglich der Priorität die Bedeutung beigemessen werden, die ihm sowohl ener-giebilanziell als auch in seiner Klimarelevanz innewohnt. Da im bundesdeutschen Mittel 50 % und im Verbrauchssektor „Haushalte“ bis zu 90 % des Endenergiebedarfes in Form von Wärme zu decken sind, bedarf es in diesem Bereich zur Dekarbonisierung besonderer Anstrengungen.
Unsere Kernforderungen sind:
- Wärmeschutz von Bestandsgebäuden mit Erhöhung der Sanierungsquote auf 4 % bis 2030.
- Umstellung der Wärmeerzeugung auf Erneuerbare Energien und Kraft-Wärme-Kopplung.
- Einsatz effizienter Wärmepumpen auf EE-Basis und Brennstoffzellen sowie weiterer EE-Tech-nologien im Gebäudebereich.
- Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Potenzialerschließung der oberflächennahen und Tiefengeothermie.
- Entwicklung und Umsetzung von Nahwärmesystemen in Gemeinden und Quartieren.
- Wirtschaftliche Integration von Power-to-Heat-Technologien in Wärmenetzinfrastrukturen durch Abschaffung von Umlagen und Abgaben für netzdienliche Systemdienstleistungen.
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Die deutliche Anpassung der Sanierungsquote von derzeit rund 1 % auf 4 % sollte vor allem mit einer nachvollziehbaren Informationspolitik einhergehen. Dieser muss eine Verlässlichkeit sowie eine Produkt- bzw. Anbieterneutralität und eine Lebenszyklusbetrachtung innewohnen. Optima-ler Weise wird diese kommunal oder regional getragen und durch die Energieagentur sowie das örtliche Klimaschutzmanagement begleitet. Die Förderprogramme des Bundes, hier insbeson-dere des neuen BEG (Bundesförderung für effiziente Gebäude), müssen hierzu gebäudescharf nutzbar gemacht werden, damit die Anreize für die Gebäudeeigentümer geschaffen werden. Ver-bundlösungen im Sinne der Daseinsvorsorge, mit Bürgerbeteiligung und kommunal betrieben können die heizungstechnische Sanierung jedes einzelnen Hauses ein Stück weit verzichtbar ma-chen. Solche Verbundlösungen, wie Objekt-, Quartiers- und Nah- oder Fernwärmenetze auf der möglichst überwiegenden Basis Erneuerbarer Energien in Verbindung mit der Technologie der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) können wesentlich zur Erreichung der Klimaschutzziele im Wär-mebereich und zum Erhalt und zur bezahlbaren Nutzung der innerörtlichen Bebauung beitragen. Die Transformationsfähigkeit der KWK-Anlagen hin zu klimaneutralen Gasen unterstreicht deren Zukunftsfähigkeit innerhalb der Energieversorgung und ihre dauerhafte Rolle zur Residuallastab-deckung. Kraft-Wärme-Kopplung ist das Paradebeispiel der Sektorenkopplung. Sie verbindet den Strommarkt mit dem Wärmemarkt und führt beide mit dem immer grüner werdenden Gasmarkt zusammen, der zukünftig durch Biomethan und Wasserstoff geprägt sein wird.
Beim Einsatz effizienter Wärmepumpen sowie bei der Erschließung oberflächennaher Geother-mie-Potenziale und auch der Tiefengeothermie müssen etwaige Wechselwirkungen bedacht werden. Anders als die planlose und insoweit unkoordinierte Erschließung individueller Vorkom-men sollte Nahwärmeverbünden auf geringem Temperaturniveau („kalte Nahwärme“) der Vor-zug eingeräumt werden. Eine Überlegung in diesem Zusammenhang ist auch die Integration von Abwärmequellen, beispielsweise die Nutzung von Abwasser oder die Rückläufe konventioneller Netze. Eine verpflichtende Energie- und Wärmeleitplanung als Bestandteil der Bauleitplanung, vorzugsweise angesiedelt auf der Ebene der Verbandsgemeinden, die ausdrücklich auch kleine Organisationseinheiten umfasst, begünstigt eine ebenso zielorientierte wie geordnete Vorge-hensweise auf dem Weg zur Klimaneutralität.
In Abgrenzung zu einer auf niedrigem Temperaturniveau ausgestalteten Wärmeversorgung im Verbund, bei der Wärmepumpen zunehmend zum Einsatz kommen können, sind diese hingegen nicht geeignet, im Sinne einer flächendeckenden „All-Electric-Strategie“ konventionell und auf fossiler Basis arbeitende Heizkessel zu ersetzen. Hier sollte zur Dekarbonisierung der Wärmever-sorgung vielmehr ein verstärkter Ausbau von dezentralen KWK-Anlagen – optimaler Weise in ei-ner flexiblen Umgebung unter Einbindung in Wärmenetzen - zum Einsatz kommen. Damit ließe sich aufgrund der zeitlichen Struktur des Wärmebedarfs und dem variierenden Angebot der Stromgewinnung aus Wind und Sonne eine weitreichende Stromerzeugung aus konventionellen Kraftwerken, die in Ermangelung synthetischer Brennstoffe möglicherweise auch aus der Verfeu-erung fossiler Energieträger erfolgen muss, weitgehend reduzieren. Ziel muss es bis 2040 sein, die autarke Energieversorgung in zellularen Netzen erneuerbar mit Sonne, Wind, Biogas und Wasser sowie auf Basis der hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplung darzustellen und die Bilanz-kreise innerhalb dieser Zellen in Wechselwirkung mit der Nachbarschaft auszugleichen.
Hierzu müssen auch Power-to-Heat-Technologien, die parallel zur Anwendung der direkten Stromnutzung in Wärmepumpen arbeiten, in die Pufferspeicher bestehender Netze integriert werden. Je nach Ausgestaltung der Direktheizung sollten diese Wärmespeicher mit dem andern-falls abzuregelnden Überschussstrom regenerativen Ursprungs thermisch und in Wechselwir-kung mit KWK-Anlagen geladen werden.
Um die Erfüllung der vielfältigen Aufgabenstellungen in allen Verbrauchssektoren gerecht zu werden, sind die Vorbehalte und rechtlichen Restriktionen in Bezug auf die Energiedienstleistung bzw. das Energie-Contracting abzubauen. Dies gilt insbesondere auch im öffentlichen Bereich etwa im Vergleich mit einem der Zustimmung der Aufsichtsbehörde unterworfenen kreditähnli-chen Rechtsgeschäft im Sinne der Gemeindeordnung, die sachfremd ist. Auch hier ist die wett-bewerbliche Gleichstellung von Eigenversorgung und Contracting bei der mit der Wärmeversorgung verbundenen Stromerzeugung herzustellen, damit diskriminierungsfrei und schnellstmög-lich der Gebäudesektor einer umfassenden energetischen Sanierung unabhängig von Betreiber-modellen zugeführt wird.
Zur allgemeinen Zielerreichung der Dekarbonisierung der Energieversorgung - im Dreiklang der Energieeinsparung vor der Umsetzung energieeffizienter Maßnahmen und im Übrigen der De-ckung des Energiebedarfes aus erneuerbaren Quellen vorzugsweise regionalen Ursprungs spä-testens bis zum Jahr 2040 - kann und muss der Wärmesektor einen eigenen und den erheblichen Beitrag leisten.
5. Wasserkraft
Wasserkraft ist als erneuerbare und dezentrale Energieversorgung unentbehrlich. In Rheinland-Pfalz und dem Saarland sorgen 228 Wasserkraftanlagen mit einer installierten Leistung von 252 MW und einer jährlichen Stromerzeugung von 923 Mio. kWh für einen Anteil von mehr als 8 % an der erneuerbaren Stromproduktion. Die Nutzung der Wasserkraft ist im Wesentlichen geprägt durch Laufwasserkraftwerke, deren Leistung kontinuierlich zur Verfügung steht und mithin für den Ausgleich der fluktuierenden Wind- und Solarenergie sowie für die Netzstabilität zur Verfü-gung steht. Sie zu erhalten und wo immer möglich auszubauen, hat für das System der Erneuer-baren Energien hohe Bedeutung.
Unsere Kernforderungen sind:
- Verbesserung der Rahmenbedingungen für Erhalt und Reaktivierung von Wasserkraftanlagen durch Anerkennung von alten Wasserrechten und der Erteilung neuer Wasserrechte
- Gesamtheitliche ökobilanzielle Betrachtung unter Einbeziehung des Klimaschutzbeitrags bei Genehmigungsverfahren.
- Abschaffung der Degression gemäß § 40 EEG, Absatz 5.
- Keine EEG-Umlage auf Eigen- bzw. Direktversorgung.
- Verlängerung des Förderprogrammes zur Verbesserung des ökologischen Zustands.
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Eine Anerkennung der Rolle der Wasserkraft im Energiemarkt der Zukunft geht zunächst mit ei-ner sicheren und zukunftsfähigen Stärkung der rechtlichen Position einher. Diese muss geeignet sein, Investitionen und Finanzierungen umfassend abzusichern und letztlich den Ausbau der Wasserkraft in Rheinland-Pfalz zu ermöglichen. Denn Wasserkraft ist analog der Biomasse fähig, die volatilen Erneuerbaren Wind und Sonne auszugleichen. Gerade mit Blick auf die Grundlastfä-higkeit der Wasserkraft müssen gewässerökologische Anforderungen und klimaneutrale Fähig-keiten in Einklang gebracht werden.
Zur Erhaltung bzw. Verlängerung alter Wasserrechte sowie zu deren Änderung sollten verein-fachte und beschleunigte Genehmigungsverfahren greifen. Neue Verfahren sollten im Hinblick auf die Verlässlichkeit und Investitionssicherheit in eine Bewilligung münden. Auch insoweit sollte eine Straffung des Genehmigungsverfahrens unter Einbindung zugelassener Büros ange-strebt werden. Ein Abwägungsprozess, der neben den naturschutzfachlichen Anforderungen auch eine gesamtheitliche ökobilanzielle Betrachtung unter Einbeziehung von Gewässerökolo-gen zum Inhalt hat, sollte ebenfalls Gegenstand der Genehmigungsverfahren werden.
Das Förderprogramm des Landes zur Verbesserung des ökologischen Zustands, das zunächst bis 2021 befristet ist, sollte bis in das Jahr 2025 verlängert werden. Darüber hinaus gilt es, die ver-ankerte Förderhöchstsumme aufzuheben, damit auch größere Maßnahmen mit dem gleichen Fördersatz bedacht und dadurch umgesetzt werden können.
6. Sektorenkopplung, Energiespeicher
Für das Gelingen der Energiewende ist im Transformationsprozess eine funktionierende Kopp-lung der Sektoren „Haushalte“, „Gewerbe, Handel, Dienstleistungen“, „Industrie“ und „Verkehr“ unabdingbar. Es müssen die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen geschaffen werden, da-mit überschüssiger Strom aus Erneuerbaren Energien in Verbindung mit Energiespeichern zur vielfältigen Verwendung im Wärme- und Verkehrsbereich sowie zur Erzeugung grünen Wasser-stoffs eingesetzt werden kann. Hierzu gehören auch Energiewaben im Sinne zellularer Netze, um Energieerzeugung und -verbrauch zeitgleich zusammenzuführen.
Unsere Kernforderungen sind:
- Steuer- und Abgabenentlastung des EE-Stroms zu Zeiten negativer Börsenstrompreise.
- Deckung positiver Residuallasten durch hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplungs-Systeme und Biogas-Flexibilisierung.
- Aufnahme negativer Residuallasten zur Wärmeerzeugung und Wärmespeicherung.
- Auf- und Ausbau hocheffizienter Speicher- und Regelkraftwerke (Pumpspeicher, P2X etc.) als Garant für die Ausregelung der volatilen Erneuerbaren Energien.
- Wasserstoffproduktion aus Stromüberschüssen der Erneuerbaren Energien.
- Verwendung von Strom aus Erneuerbaren Energien für die Elektromobilität.
- Abschaffung von Umlagen und Gebühren für netzdienliche Systemdienstleistungen.
- Weiterentwicklung des Strommarktdesigns zum garantierten Einspeisevorrang für EE.
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Die Sektorenkopplung muss als Motor und Rückgrat der Energiewende verstanden werden. Dies vorausgesetzt, ist eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen, die diesem Verständnis Rechnung tragen, zwingend geboten. Nur auf diese Weise lässt sich eine weitergehende, sektorenübergreifende und obendrein flexible Dekarbonisierung der Energieversorgung erreichen. Insbesondere durch die Transformation elektrischer Energie in andere Energieformen ist sie in vielerlei Hinsicht geeignet, für eine optimale Weiterentwicklung unseres Energiesystems unter Beachtung des energiepolitischen Zieldreiecks aus Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz einzustehen. Insgesamt sind die Sektorenkopplung und die damit verbundenen Speicher als eine zusammenführende Technologie zur Unterstützung der Energiewende im Sinne des Umwelt- und somit Klimaschutzes zu verstehen.
Die weitreichenden Kernforderungen zeigen die gebotene Weiterentwicklung des starren und nicht den Anforderungen der heutigen Zeit genügenden rechtlichen Rahmens auf. So müssen Rheinland-Pfalz und das Saarland sich beim Bundesgesetzgeber um eine Anpassung der gesetzli-chen Rahmenbedingungen bemühen bzw. diese initiativ anzustoßen. Hierbei sind Lösungen im Hinblick auf eine technologieoffene Befreiung der Sektorenkopplung von der EEG-Umlage, die netzdienliche Anerkennung bei der Festsetzung der diesbezüglichen Entgelte sowie die auch an-dernorts geforderte Eigenstromprivilegierung zu nennen.
Im eigenen rechtlichen Handlungsrahmen muss die Unterstützung von Schnittstellentechnolo-gien ebenso gestärkt werden, wie auch der Auf- und Ausbau von Speicher- und Regeltechnolo-gien. Diese systemdienlichen Schritte sind nicht nur für den Ausbau der Erneuerbaren Energien zwingend, sie sind auch alternativlos in Hinblick auf die „grüne“ Wasserstoffproduktion und die Dekarbonisierung des Verkehrs in Zusammenhang und Abhängigkeit mit der Schaffung von sich selbst tragenden und versorgenden Energiewaben im Sinne zellularer Netze, die sich im Zusammenspiel von Energieerzeugung und -verbrauch einander jederzeit auszugleichen vermögen.
7. Wasserstoff
Der Stromverbrauch in Deutschland wird auf dem Weg zur vollständigen Dekarbonisierung bis 2040 deutlich zunehmen, auch weil die Verbrauchssektoren „Wärme“ und „Verkehr“ zunehmend elektrifiziert werden müssen. Da die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien im Wesentli-chen durch Wind und Sonne volatil bleibt, bedarf es eines Ausgleichssystems, das eine gesicherte Leistungsbereitstellung für alle Verbraucher gewährleistet und mithin für die Netzstabilität sor-gen muss. Hierzu wird Wasserstoff einen Beitrag leisten müssen, der darüber hinaus auch in der Industrie und im Schwerlast- sowie im Flugverkehr vorrangig benötigt wird.
Unsere Kernforderungen sind:
- Aufbau und Sicherstellung einer national-europäischen Strategie zur „grünen“ Wasserstoffproduktion aus Erneuerbaren Energien.
- Verbindung der Wasserstoffproduktion mit einer funktionierenden Speicherstrategie.
- Förderung von Elektrolyseuren auch auf dezentraler Ebene zur Nutzbarmachung der Abwärme.
- Wasserstoffvorrang in der Energieerzeugung für hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung.
- Substitution fossiler Stoffe in der Industrie durch grünen Wasserstoff.
- Umstellung des nicht elektrifizierbaren Straßengüterverkehrs und der Luftfahrt auf Wasserstoff und alternative emissionsfreie Antriebe.
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Die Schlüsselrolle, die „grüner“ Wasserstoff auch ungeachtet der Sektorenkopplung für die Energiewende in Rheinland-Pfalz und im Saarland innehat, bedarf einer umfassenden Förderung und Anpassung von Verbrauch und Produktion. Insbesondere für Rheinland-Pfalz und das Saarland bieten sich weitreichende Chancen. Neben der Nutzung von Wasserstoff in der Industrie birgt dessen Produktion große Potenziale für die regionale Wertschöpfung und die Stärkung ländlicher Räume sowie zur dezentralen Nutzung der bei der Elektrolyse entstehenden Abwärme.
Das frühe Entwicklungsstadium und die angestrebte verantwortliche Rolle des Wasserstoffs in der zukünftigen Energielandschaft verlangen nach einer niederschwelligen Förderung in Ergänung zu der oftmals nicht anspruchsberechtigten Bundesförderung, um die Produktion zu steigern, hierbei die Wirtschaftlichkeit im Blick zu behalten und vor allem Kommunen als Partner, Akteure und Multiplikatoren zur Etablierung von grünem Wasserstoff zu gewinnen. Anschubfinanzierungen des Landes für die Beschaffung von Bussen oder Kommunalfahrzeugen und den Ausbau von Wasserstofftankstellen aber auch für die Realisierung von Potenzialen im Bereich der Abwasserreinigung sollten in Aussicht gestellt werden.
Dem perspektivisch großen Bedarf, der der vielseitigen Anwendbarkeit von Wasserstoff geschul-det ist, stehen derzeit nur geringe Produktionsmengen, die Unwirtschaftlichkeit sowie der pau-schale Handlungsdruck vor dem Hintergrund der Klimakrise im Wege. Hier gilt es, eine Priorisie-rung und Strategie herauszuarbeiten, für die die angestrebte, jedoch stockende Wasserstoff-Roadmap der Landesregierung ein Instrument sein kann. Vorrang sollte dabei eine schnelle und an den Kernforderungen orientierte Umsetzung sein, damit grüner Wasserstoff seinen Beitrag zur erfolgreichen Energiewende leisten kann.
Letztlich muss an dieser Stelle auch die Wichtigkeit der Gasinfrastruktur für die zukünftige Wasserstoffspeicherung und -verteilung genannt werden. Das bestehende Infrastrukturvermögen kann und muss genutzt werden, um grünen Wasserstoff in der Fläche zum Einsatz bringen zu können. Der Neuaufbau einer Parallelstruktur zur alleinigen Wasserstoffverteilung mit der Ausrichtung auf einen Anschluss großer industrieller Verbraucher, der von Seiten der Bundesregierung präferiert wird, kann nicht zielführend sein.
8. Mobilität
Der Verkehrssektor ist mit 162 Mio. Tonnen CO2, einem Anteil von nahezu 20 %, der drittgrößte Verursacher von Treibhausgasemissionen in Deutschland. Dabei ist wiederum der Individual-PKW-Verkehr mit mehr als 60 % beteiligt. Es ist offensichtlich, dass ein deutlicher Fokus auf die Elektromobilität gelegt werden muss. Auch hier muss der notwendige Strombedarf zukünftig aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Die Schwerlast- und Busverkehre mit einem Anteil von mehr als 35 % an den Emissionen müssen zielgerichtet auf die Schiene verlagert bzw. die Ver-brennungsmotoren ebenfalls auf emissionsfreie Antriebe umgestellt werden. Wo E-Mobilität im Schwerlastverkehr wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, sind vorrangig Wasserstoff-Brennstoffzellenlösungen umzusetzen.
Unsere Kernforderungen sind:
- Förderung des ÖPNV und flächendeckende Umsetzung etablierter eCar-Sharing-Modelle.
- Ein klares und deutliches Bekenntnis zum batterieelektrischen Individualverkehr.
- Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur mit bürgerfreundlichem Bezahl- und Ladesystemen.
- Förderung für Forschung und Entwicklung von leichteren und effizienteren Batteriesystemen.
- Förderung für Forschung und Entwicklung von Wasserstoffsystemen für den Transportverkehr.
- Mobilitäts-Zukunfts-Pakt mit Rahmenbedingungen für eine klimaneutrale, emissionsfreie Verkehrswirtschaft.
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Die erfreuliche Entwicklung der Elektromobilität in den Nutzungszahlen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland gilt es aufzugreifen, tatkräftig zu unterstützen und dabei auf entstehende Herausforderungen zu reagieren. Die Transformationsfähigkeit des Mobilitätssektors und der Wille zu solchen Veränderungen, die auch von der Produktvielfalt und -attraktivität abhängig ist, sollten als Grundlage und zugleich als Chance verstanden werden. Die aktive Unterstützung im Hinblick auf Sektor übergreifende Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen rundet die strategischen Handlungsnotwendigkeiten in dieser Hinsicht ab.
Das Land und die kommunalen Gebietskörperschaften sowie die Privatunternehmen sollten eine akzeptanzsteigernde Vorreiterrolle einnehmen und in vielerlei Hinsicht nachkommen. Bereits ein-fach und zügig umsetzbare Maßnahmen, wie die Elektrifizierung des eigenen Fuhrparks, Verbesse-rung der Jobrad-Möglichkeiten für Beschäftigte oder die Anschaffung von Dienst-Pedelecs für zu-mutbare Wegstrecken im Nahbereich sollten flächendeckend und zügig Umsetzung erfahren. Er-gänzend ist der Ausbau von alltagstauglichen Pendler-Radwegenetzen zu beschleunigen. Aber auch eine neutrale Informationspolitik zu den Kosten und den Möglichkeiten im Mobilitätssektor sollte Gegenstand der Koordinierung in öffentlicher Trägerschaft sein. Hierunter fällt auch die Potenzialanalyse zur Umgestaltung des ÖPNV sowie des Individualverkehrs, um frühzeitig sowohl bereits quantifizierbare als auch noch nicht quantifizierbare Klimaschutzaspekte zu berücksichtigen.
9. Schluss
Die hier dargelegten Positionen stellen die grundlegenden Forderungen des Landesverbandes Erneuerbare Energie Rheinland-Pfalz/Saarland e.V. zur Zielerreichung dar. Die Umsetzung der Forderungen im politischen Handeln durch Schaffung der hierfür erforderlichen Rahmenbedin-gungen hat höchste Priorität mit Blick auf den Klimawandel, der sich durch globale Wechselwir-kungen spürbar schneller vollzieht, als dies die Wissenschaft in ihren Szenarien prognostiziert. Zur Klimaneutralität sind CCS und Atomkraft auszuschließen.
Wir appellieren an Politik und Gesellschaft, bestehende Hürden vollumfänglich abzubauen, die den alternativlosen Transformationsprozess hin zu Erneuerbaren Energien im Zusammenwirken mit Energieeffizienz und Energieeinsparung behindern. Dies bezieht insbesondere auch die europäische Ebene mit ein, die das Gelingen der Energiewende nicht weiter durch Argumente des Beihilferechts in nationalen Gesetzgebungen ausbremsen darf. Diesbezüglich ist die Bundesregierung über den Bundesrat aufzufordern, die beihilferechtliche Befreiung der nationalstaatlichen Gesetzgebung bei der europäischen Kommission in Brüssel in Anlehnung an die Lissabon-Verträge zur Energiefreiheit der Mitgliedsstaaten zu beantragen, damit die Erreichung der Pariser Klimaschutzziele nicht weiter mit fadenscheinigen Wettbewerbsargumenten bürokratisch behindert wird.
In diesem Zusammenhang werden mit dem Fokus auf die Ausschreibungen gemäß EEG vor allem kleine und mittlere Projekte der Erneuerbaren Energien verhindert, die erheblich zur Erhöhung der Ausbaukapazitäten sowie zur Akzeptanz beitragen und regionale Wertschöpfung und Beschäftigung generieren können, vor nahezu unüberwindbare Hindernisse gestellt. Sie konterka-rieren durch die Beihilfethematik die Dekarbonisierung der Energiewirtschaft. Ausschreibungen sollten – wenn überhaupt – nur auf den Innovationsgehalt der Projekte abzielen und insoweit auch die Möglichkeiten zur Kopplung der Verbrauchssektoren würdigen.
Eine übergeordnete Verankerung des Klimaschutzes als landesweites Verfassungsziel und verbindliche regionale bzw. kommunale Klimaschutzleitbilder als Ergebnis von Klimaschutzkonzepten sollen die dringende Notwendigkeit staatlichen Handelns unterstreichen und einen wichtigen Orientierungsrahmen bieten. Die Energieagentur Rheinland-Pfalz bringt durch ihre Anbindung an die ministerielle Ebene auf der einen Seite und an die kommunalen Aufgabenträger auf der an-deren Seite gute Voraussetzungen für die Eigenschaft einer landesweiten Koordinierungsstelle mit sich. Sie könnte im Sinne einer Ausgleichsfunktion etwaige kommunale Über- oder Unterdeckungen einer beabsichtigten Bedarfsdeckung verwalten, bilanzieren und auf den Ausgleich im Wege eines Benchmarkings hinwirken.
Die Kommunen, die vor Ort für die Zielerreichung quer durch alle Sektoren verantwortlich sind, sollten von den Landesgesetzgebern mit dem erforderlichen Rechtsrahmen ausgestattet werden. Das kommunal verortete Klimaschutzmanagement, das vor dem Hintergrund einer möglichst verpflichtenden Klimaschutzaufgabe möglichst dauerhaft auszurichten ist, steht als Koordinator für die Umsetzung ein. Die hier gegebene Nähe zur Bürgerschaft wirkt akzeptanzsteigernd und unterstreicht neben der Dekarbonisierung auch die Demokratisierung der Projekte.
Zusätzlich könnten Selbstverpflichtungen zur rechtskonformen Abbildung von Nachhaltigkeitsaspekten bei investiven und auch betrieblichen Prozessen die Energiewende in dezentralen Strukturen zusätzlich beschleunigen, solange einem kürzlich erst eingeführten CO2-Preis noch keine hinreichende Lenkungsfunktion zu Teil wird.
Letztlich gilt es, eine wie auch immer geartete Benachteiligung von eigenerzeugtem Strom verlässlich zu vermeiden. Hierzu gehört zwingend die Gleichstellung von Eigenversorgung und Contracting bzw. Energiedienstleistung. Neben der Streichung der EEG-Umlage fallen hierunter auch etwaige weitere Umlagen.
Mainz, den 18. März 2021
unterzeichnet von dem damaligen geschäftsführenden Vorstand