2022: Positionspapier: Biomasse

28.11.2022 - Positionspapier - Bioenergie

Positionspapier: 10 Punkte für den Einsatz von Holz zur Erreichung der Klimaneutralität 2040

Die Energiewende wird nur funktionieren, wenn die Vielfalt aller erneuerbaren Energien genutzt und jetzt zügigst umgesetzt wird, damit der Klimawandel wenigstens noch abgemildert werden kann. In diesem Papier steht die energetische Nutzung im Vordergrund. Dabei sind sich die Autoren des Vorrangs der stofflichen Nutzung von Holz bewusst. Dies findet im Folgenden explizit Berücksichtigung. Holzbau und Holzenergienutzung müssen zusammen gedacht werden.


Es gibt keine Dominanz einzelner erneuerbarer Technologien wie z.B. Windenergie, Solarenergie/Fotovoltaik, Biomasse/Biogas oder Wasserstoff. Aus unserer Sicht zählt die schnellst mögliche Lösung mit den erneuerbaren Energien, die den Bedarfsanforderungen (Temperaturniveau, Bezahlbarkeit, Verfügbarkeit) am besten entsprechen. Die ambitionierten Ziele der Bundesregierung zur Erreichung der Klimaneutralität 2040 sind nicht zu erreichen, wenn nicht die gesamte Vielfalt der erneuerbaren Energien und der nachwachsenden Rohstoffe, und deren Zusammenspiel sowie die Einsparpotentiale sofort eingesetzt und genutzt werden.


"Without ressources there can be no economic activity" 

Hermann Scheer


Wir brauchen eine schnellstmögliche Prioritätenverschiebung von Wildnis romantisierenden Überlegungen hin zu einer Bewirtschaftung der Natur unter Berücksichtigung aller Nachhaltigkeitsaspekte. Die natürlichen Lebensgrundlagen müssen dabei bewahrt werden und möglichst naturnah und resilient weiterentwickelt werden – ohne die Nutzungsperspektive der heutigen und künftigen Generationen zu missachten. Jeder Tag, der versäumt wird, erhöht die Abhängigkeit von fossilen Energierohstoffen. Dies führt zu einer weiteren weltweiten klimawandelbedingten Naturzerstörung, die kurz- und mittelfristig irreparabel ist. Bei der Nutzung unserer heimischen Natur ist unser Leitmotiv eine regional angepasste nachhaltige Nutzung und Wirtschaft.


Die Vorgaben der Europäischen Union, die Nutzung von Holz stärker zu begrenzen zu lassen, sind völlig kontraproduktiv. Die Prozesse der Biomassezersetzung im Wald sind natürliche Vorgänge, die 24 Stunden und 365 Tage im Jahr ohne jedes menschliche Zutun genau wie Sonnenstrahlung und Thermik stattfinden. Diese Prozesse sind als „großer Kohlenstoffkreislauf“ bekannt und weltweit wissenschaftlich seit langem beschrieben. Sie nicht zu nutzen, ist völlig widersinnig. Wir müssen alle biologischen Prozesse, die CO2-neutral sind oder die CO2-Produktion in geschlossenen Kreisläufen halten und die CO2 binden, nutzen. Beispielsweise bedeutet dies im Wald in der Bewirtschaftung möglichst hohe Zuwächse bei hoher Bestandsstabilität zu erreichen, und in der Landwirtschaft eine möglichst gute Kohlenstoffanreicherung zu ermöglichen. Ohne diese Bemühungen können wir den derzeitigen CO2- oder Methan-Anstieg in der Atmosphäre nicht stoppen oder reduzieren.


Zuwachsstarke Wälder absorbieren CO2 jährlich direkt aus der Atmosphäre und produzieren Holz zur stofflichen und energetischen Nutzung, das fossile CO2-intensive Materialien und Energieträger ersetzt. 


In den letzten 20 Jahren wurde der  Ausbau der erneuerbaren Energien systematisch behindert. Dies führte zu einer verstärkten Abhängigkeit von fossilen Energien, weil sowohl der Weltenergiebedarf durch eine steigende Weltbevölkerung als auch der Pro-Kopf-Energiebedarf kontinuierlich gestiegen ist. Das macht abhängiger und gefährdet den Wohlstand.


Deshalb können wir uns weitere Flächenstilllegung von Waldflächen und landwirtschaftlichen Flächen nicht leisten, weil dies unsere Abhängigkeit von den Weltmärkten weiter erhöht und zu einer katastrophalen globalen Naturzerstörung führt. Globaler Naturschutz ist viel wichtiger als einseitiger lokaler Naturschutz im Sinne von „Natur sich selbst überlassen“, der umweltfreundliches nachhaltiges regionales Wirtschaften unmöglich macht. Wir können Bewahren unserer natürlichen Lebensgrundlagen nur durch nachhaltiges Bewirtschaften erreichen – in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit.


Die nachfolgenden 10 Punkte müssen schnellstmöglich beachtet und umgesetzt werden:

 

1)     Bekenntnis der Landesregierung zur Holzenergienutzung

 Bundesweit findet derzeit eine Kampagne gegen Holzenergie statt, die nicht wissenschaftliche evident ist und wesentliche Aspekte der Nachhaltigkeit negiert. So sei Holzenergie schlechter als Heizöl und wir bräuchten einen Fade Out aus der Holzenergie. Diese Kampagne hat den Hintergrund der Angst eines Kahlschlages im deutschen Wald und verkennt wesentliche Fakten der Waldbewirtschaftung. So ist seit dem 2. Weltkrieg der Waldanteil und der Holzvorrat (=gespeichertes CO2) kontinuierlich gestiegen – auch in Rheinland Pfalz und im Saarland. Die Energienutzung des Holzes substituiert dabei Heizöl und ist Teil der Waldbewirtschaftung. Durch die Nutzung von Holz kann der verbliebene Wald besser und schneller wachsen, da die Konkurrenz im Waldbestand weniger wird. Dies bedeutet im Effekt eine höhere Bindung von CO2 im Wald. Diese Effekte hat kürzlich beispielsweise Martes & Köhl (2022) in einer wissenschaftlichen Publikation im Journal Sustainability für die Metropolregion Hamburg nachgewiesen (DOI: 10.3390/su14042088). Daneben gibt es seit Jahrzehnten eine Vielzahl

von ähnlichen Publikationen.


Speziell bei den Holzpellets wird völlig ausgeblendet, dass diese aus den Nebenprodukten der Sägeindustrie (Sägemehl, Späne, Schwarten, Kappstücke) aus unbehandelten Resthölzern und Landschaftspflegeholz hergestellt werden. So wird Holz zu 100% genutzt und sinnvoll eingesetzt. Das gilt jedenfalls für die einheimischen Hersteller, bei Importware sollte auf die Herstellungsbedingungen/Zertifikate geachtet werden.

Es geht kein Hektar Wald auf Grund der energetischen Holznutzung verloren, da die Bewirtschaftung in Deutschland streng nach den Vorgaben der Forsteinrichtung und der Waldbaurichtlinien zu erfolgen hat! Aus diesen Gründen fordern wir von den Landesregierungen Rheinland-Pfalz und Saarland ein öffentliches Bekenntnis zur Verstetigung und zum Ausbau der Holzenergie und der vermehrten stofflichen Nutzung von Holz.


2)     Nachhaltigen Waldbewirtschaftung ohne Tabus - forstwissenschaftliches Wissen hat Vorrang vor Wildnisromantik

 Die heutige Waldbewirtschaftung ist geprägt von der Gestaltung der Zukunftsfähigkeit der Wälder. Wir fordern die Landesregierungen auf, sich in der Bewirtschaftung der Wälder an das im Oktober 2021 veröffentlichte Gutachten zur „Anpassung von Wäldern und Waldwirtschaft an den Klimawandel“ des Wissenschaftlichen Beirates für Waldpolitik beim BMEL zu bekennen. Es darf keine Tabus bzgl. der Baumartenwahl geben, eine Verschiebung der Baumartenareale auf Grund des Klimawandels ist seitens der Landesregierungen anzuerkennen. Im Sinne der in den nächsten Jahren benötigten Dendromasse in der stofflichen Nutzung und der energetischen Nutzung und der damit verbundenen zu steigernden Unabhängigkeit von Holzimporten aus dem Ausland sowie von Lieferungen fossiler Brennstoffe darf es keine „Versuche geben“ im Sinne der großflächigen Stilllegungen von Waldflächen oder sog. Einschlagsmoratorien. Diese Stilllegungen mit hohen Totholzanteilen erhöhen zudem die Waldbrandgefahr in Zeiten des Klimawandels, wie das Beispiel sächsische Schweiz zeigt.


Unverzügliche Wiederaufforstung der Kahlflächen mit schnell wachsenden, klimawandelangepassten  Baumarten, die auch tatsächlich in der Holzwirtschaft benötigt werden. Dabei muss im Rahmen der Nachhaltigkeit der Nadelholzanteil bei möglichst 50 % im Landesdurchschnitt liegen. Berücksichtigt werden nur die tatsächlich bewirtschafteten Flächen.

Der derzeitige und künftig generierte und gesicherte Wissensstand in der Forstwissenschaft ist als

wichtigster Maßstab des Handelns anzuerkennen.


3)     Kaskadennutzung

Die Nutzung von Holz ist im Rahmen der Kaskadennutzung zu optimieren. Dies bedeutet, dass Waldholz im Grundsatz aufgrund seiner multifunktionalen Nutzungsmöglichkeiten primär stofflich genutzt wird. Erst danach kommt im Nutzungszyklus die energetische und chemische Nutzung zu Anwendung. Dieser Grundsatz ist jedoch vor dem Hintergrund der marktlichen Rahmenbedingungen zu sehen, da nicht alle zu nutzenden Hölzer aus dem Wald stofflich nachgefragt werden. Die energetische und chemische Nutzung kommt deswegen auch bei der direkten Nutzung aus dem Wald zum Tragen. Es kommen nicht alle Stammteile aufgrund ihrer Dimension und Qualität für eine stoffliche Nutzung in Frage kommen. Feinreisig und Laub verbleibt im Bestand, weil es den höchsten Nährstoff- und Mineralanteil hat, und so eine Sicherung der Bodenqualität erreicht wird.


4)     Zuwachs- und Stoffstromorientierte Nutzungsoptimierung

 Durch einen möglichst hohen Holzzuwachs je Flächeneinheit bei gleichzeitig entsprechend hohem Holzeinschlag erreicht man eine möglichst hohe Eigenversorgung mit dem Rohstoff Holz. Nur so kann der notwendige Holzbedarf möglichst regional gedeckt werden und gleichzeitig möglichst viel Kohlenstoff aus der Atmosphäre entzogen werden. Zuwachs ist die CO2 Minderung in der Atmosphäre, bei stillgelegten Wäldern geht diese Minderung irgendwann sogar auf Null zurück (steady state). Mit dieser Überlegung ist auch ein optimaler Naturschutz möglich, weil dadurch unnötige Holzimporte aus ökologisch sensiblen Regionen sowie weite Transportwege vermieden werden. Gleichzeitig sind unnötige Holzexporte zu vermeiden, weil dieses Holz zukünftig zur eigenen Versorgung der Wirtschaft und der Endverbraucher fehlt, und zu unnötigen Klimabelastungen führt.


5)     Regionale Wärmeplanung

In den beiden Bundesländern müssen die Landkreise durch die Landesregierung die Möglichkeit erhalten regionale Wärmepläne (Bsp. Baden Württemberg) zu erstellen, auf deren Basis  der Bedarf an den wertvollen Biomassepotenzialen erarbeitet wird. Konkrete Projektierungen an Hand von wirtschaftlich belastbaren Zahlen können dann daraus folgen. Es muss aus den Wärmeplänen abgeleitete Vorranggebiete für Wärmenetze geben aber auch solche für Solarthermie, Abwärmenutzung und strombasierte Wärmelösungen. Die Landesplanung muss auf Basis dieser Arbeiten Planungsvorgaben erstellen und den Kommunen ermöglichen, diese einzusehen. Mit der Beauftragung des Wärmekatasters Rheinland-Pfalz ist hier ein weiterer Schritt gemacht, der in der Folge verstetigt werden

muss.


6)     Maßnahmen auf Bundesebene (BEHG -Brennstoffemissionshandelsgesetz) 

Der vom Bundeswirtschaftsministerium erarbeitete Entwurf bzgl. der CO2 Bepreisung von Abfall und damit auch Altholz und Bioabfällen im neuen BEHG ist als kontraproduktiv von den Landesregierungen im Saarland und in Rheinland-Pfalz abzulehnen. Gerade diese Stoffströme können in bestehenden und künftigen Wärmenetze die für die Bürger*innen sehr stark gesteigerten Kosten für Wärme abfedern. Beide Stoffströme sind mit einem Primärenergiefaktor von 0 zu belegen. Eine Beibehaltung dieser Forderungen würde eine ungerechtfertigte Steigerung der Bürokratie und eine Behinderung von Projekten bedeuten.


7)     Maßnahmen auf Bundesebene – Wärmeplanung

Die Landesregierungen vom Saarland und von Rheinland-Pfalz müssen dafür eintreten, dass die Förderung von Wärmenetzen auf Bundesebene Technologie offen gegenüber allen Erneuerbaren Energien erfolgt. Wichtiger als Technologiebegrenzungen wie bei der Biomasse ist eine regionale Wärmeplanung. Dementsprechend sollen sich die Landesregierungen stark machen für die Aufnahme einer Erneuerbaren Wärmeplanung auf Quartiersebene in die Daseinsvorsorge der Öffentlichen Hand.


8)     Energetische Holznutzung fördern

Wir benötigen ein Programm zur Modernisierung der Feuerstellen/Heizungsanlagen insbesondere im privaten Bereich, damit eine effiziente und umweltfreundliche Nutzung auch im häuslichen Verbrauch möglich bleibt. Feinstaubfilter können dabei einen wesentlichen Bestandteil bilden, um Nachteile bei der Emission zu umgehen. Emissionsrichtwerte sollten jedoch realistisch sein und durch den Schornsteinfeger auch messbar.


9) Maßnahmen auf Bundesebene

 

– Bürokratieabbau bei Nachhaltigkeitsverordnungen

 

In der sogenannten BioStNachV sind in Bezug auf Biomasse nur ausgewählte ökologische Fragestellungen im Sinne des Prozessschutzes und des Schutzes einiger ausgewählter Arten geregelt. Wir fordern hier im Sinne eines Bürokratieabbaus den Bezug der Bedingungen ausschließlich auf den Import von Biomassen von außerhalb Europas, da in Deutschland und in Europa das jeweilige Fachrecht die notwendigen Regeln bzgl. der Landnutzung in der Forst- und Landwirtschaft aufstellt. Dies hätte auch den Vorteil einer Konzentration der Nutzung auf regionale Biomasse. Zudem würde die Überauslastung der Zertifizierer beendet werden, die sich dann auf wichtige Aufgaben konzentrieren könnten.

 

– Bürokratieabbau beim EEG

 

Die Ausschreibungen im EEG bzgl. Strom aus Biomasse haben ihr Ziel einer Steigerung des Wettbewerbes klar verfehlt. Dies zeigt sich in den wenigen Angeboten und der damit verbunden geringen Preisbeeinflussung der Ausschreibung. Der bürokratische Aufwand ist somit

unverhältnismäßig zum Ertrag dieser Ausschreibungen. Stattdessen ist wieder eine feste Ver-

gütung einzuführen, die alle 2 Jahre auf Grund eines Monitorings der Kosten und Erlöse neu festgelegt wird.

 

10) Globaler Naturschutz wichtiger als lokaler Naturschutz

Für die Stabilität unseres Ökosystems Erde ist globaler Naturschutz wichtiger als lokaler Naturschutz. Durch effizientes Wirtschaften, einen optimierten Rohstoffverbrauch und ein gutes Stoffstrommanagement können bessere Naturschutzeffekte erreicht werden als durch punktuelle lokale Naturschutzmaßnahmen. Lokale Naturschutzmaßnahmen versuchen Zustände zu erhalten, die durch klimatische oder wirtschaftliche Vorgänge nicht erhalten blieben. Hier bedarf es eines viel vernetzteren Denkens. Bei der derzeitigen weltpolitischen und klimatischen Situation sollten z.B. die Stillegungspläne von 10% der Fläche im Staatswald Rheinland-Pfalz als bindendes Ziel nach der FSC-Zertifizierung überdacht und zumindest temporär ausgesetzt werden. 


„Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse,
aber nicht für jedermanns Gier.“

Mahatma Gandhi


Share by: